Perspektivwechsel – Praxisstelle Thüringen

Das Projekt »Perspektivwechsel – Praxisstelle Thüringen« ist die Zweigstelle des Kompetenzzentrums antisemitismuskritische Bildung und Forschung (KOAS) im Freistaat Thüringen. Seit 2007 bietet das Projekt Bildungsmaßnahmen für zivilgesellschaftliche Organisationen, Schulen, Hochschulen, öffentliche Verwaltung, Polizei. Das Projekt will dazu beitragen, den Umgang mit Antisemitismus und Diskriminierung in Institutionen auszubauen und die Kompetenz von Fach- und Führungskräften durch gezielte Bildungs-und Beratungsmaßnahmen auszuweiten.  

In einer Zeit, in der politische Umwälzungen, gesellschaftliche Spannungen und Gewaltpotenziale gegen Minderheiten zunehmen, ist die Arbeit der Praxisstelle Thüringen wichtiger denn je. Unser Ziel ist es, den Umgang mit Gewalt und Diskriminierung zu fördern – in Bildungseinrichtungen Behörden, sozialen Einrichtungen und darüber hinaus. 

Wie arbeiten wir?

Unsere Bildungsangebote basieren auf dem projekteigenen Dialogischen Reflexionsansatz (DiRA; Chernivsky 2014) und dem Anti-Bias-Ansatz (Derman-Sparks/Brunson-Philips). Ziel der beiden Ansätze ist es, eine selbstreflexive, erfahrungsbasierte und gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit Dominanzkulturen, Macht und Diskriminierung zu ermöglichen und das Bewusstsein für den Fortbestand von Antisemitismus, Rassismus und anderen Gewaltverhältnissen zu erhöhen.

Unsere Angebote

Die Angebote werden in der Regel auf Anfrage entwickelt und auf die Bedarfe der jeweiligen Handlungs- und Berufsfelder der Zielgruppen zugeschnitten. Das Projektangebot bietet verschiedene Formate der Fort- und Weiterbildung an: 

  • Ein- bis zweitägige Fortbildungen
  • Workshops und Vorträge
  • Langfristig angelegte (modulare) Bildungsprogramme
  • Kollegiale Fallarbeit
  • Fachberatung und Supervision
  • Fachkonferenzen
  • Veröffentlichungen

Die inhaltliche Schwerpunktsetzung wie auch die Dauer und Struktur der Angebote werden bedarfsorientiert entwickelt und zielgruppenspezifisch umgesetzt. Bei langfristig angelegten und modular aufgebauten Bildungsprogrammen hat sich eine Dauer von mehreren zweitägigen Modulen als wirkungsvoll erwiesen. 

Alle Angebote des Projekts sind für die Teilnehmenden kostenfrei.

Beispiele für unsere Veranstaltungen

Die Angebote werden flexibel gestaltet und an die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe angepasst. Sie variieren in Inhalt, Dauer und Struktur je nach Anfrage und Anforderungen. Erfahrungsgemäß haben sich Programme mit fünf zweitägigen Modulen als besonders effektiv erwiesen.

Es gibt die weit verbreitete Annahme, dass Antisemitismus als Gewalt gegen Jüdinnen_Juden seit 1945 überwunden sei und somit als ein Phänomen der Vergangenheit betrachtet wird. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Erfahrungen der Betroffenen antisemitischer Gewalt in der Öffentlichkeit meist wenig Beachtung finden. Gleichzeitig sind antisemitische Einstellungen und Ressentiments in der deutschen Gesellschaft auch heute noch weit verbreitet – in Familien und Schulen ebenso wie in Sportvereinen oder staatlichen Behörden. Daher stehen auch Mitarbeiter*innen von Vollzugsanstalten vor der Herausforderung, aktuellen Antisemitismus zu erkennen und einen angemessenen Umgang damit zu entwickeln. 

Die Fortbildung führt zunächst in gegenwärtige Ausdrucksformen von Antisemitismus ein und betrachtet auf dieser Grundlage – anhand aktueller Vorfälle und Straftaten sowie der Erfahrungen von Betroffenen – geeignete Handlungsstrategien.

Lange gab es die weit verbreitete Annahme, dass Antisemitismus überwunden sei und somit als ein Phänomen der Vergangenheit betrachtet werden kann. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Erfahrungen der Betroffenen in der Öffentlichkeit lange Zeit wenig Beachtung fanden. Gleichzeitig waren antisemitische Positionen in der deutschen Gesellschaft über Jahrzehnte weit verbreitet. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist Antisemitismus gewaltförmiger und wahrnehmbarer geworden, insbesondere durch den Anstieg antisemitischer Vorfälle und Straftaten. Angesichts der Zunahme antisemitischer Vorfälle ist es für die Polizei von großer Bedeutung sich aktiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen. 
Die Veranstaltung richtet sich an Polizeifachkräfte und andere Interessierte. Das Seminar bietet die Möglichkeit zur Reflexion über die Wirkungen des Terrors auf jüdische und israelische Communities, über jüdische Perspektiven auf Antisemitismus sowie über aktuelle Erscheinungsdimensionen antisemitischer Gewalt.

Diskriminierungsformen wie Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und andere sind tief in den Strukturen und Institutionen unserer Gesellschaft verankerte Gewaltmechanismen. Um ihnen wirksam entgegenzutreten, ist es essenziell, diese Realität anzuerkennen. Oftmals stehen die Wahrnehmung und Interpretation diskriminierender Handlungen und Ereignisse durch Betroffene im starken Gegensatz zu derjenigen der Mehrheitsgesellschaft. Häufig wird den Betroffenen ihre Erfahrung und Einschätzung abgesprochen, was zu einer sekundären Diskriminierung führt und die bestehenden Diskriminierungsverhältnisse aufrechterhält. 

Deshalb ist es unerlässlich, dass Fachkräfte in pädagogischen Berufen sowie in der Jugend- und Sozialarbeit lernen, diskriminierende Strukturen erkennen und eine diversitätssensible Haltung einnehmen. Themen wie Integration und Inklusion im Sinne einer Teilhabekultur spielen hierbei ebenfalls eine zentrale Rolle. 

Die Fortbildung bietet die Möglichkeit, sich intensiv und umfassend mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Sie zielt darauf ab, diskriminierungskritische Haltungen zu entwickeln und praxisrelevante Kompetenzen im Umgang mit Diversität in Schulen, pädagogischen Einrichtungen sowie der Jugend- und Sozialarbeit zu fördern. Die daraus resultierenden Fragen, Anliegen und Bedarfe der Teilnehmenden stehen dabei im Mittelpunkt unserer Arbeit. 

Aktueller Antisemitismus ist in der Regel kein Lerngegenstand pädagogischer Ausbildung und Prävention. Steigende Fallzahlen antisemitischer Diskriminierung und Gewalt auch unter Jugendlichen stellen pädagogische Fachkräfte jedoch vor die Herausforderung, kompetent auf diese Entwicklung reagieren zu können. Das Seminar dient der Sensibilisierung für aktuelle Erscheinungsformen und Dimensionen von Antisemitismus, führt in die Grundsätze antisemitismuskritischer Bildung ein und stärkt die Handlungskompetenzen der Teilnehmenden.

Für die alltägliche polizeiliche Arbeit braucht es Möglichkeiten zum Austausch, zur Aneignung von Wissen und zur Entwicklung neuer Handlungsstrategien in Bezug auf die zunehmenden gruppenbezogenen Ressentiments und offene Gewalt. Was Menschenrechtsorientierung in der polizeilichen Praxis bedeutet und wie mit menschenverachtenden Einstellungen und unterschiedlichsten Formen von Diskriminierung angemessen umgegangen werden kann, steht dabei im Zentrum der Veranstaltung. 
Die Polizei spielt bei der Gestaltung gesellschaftlicher Heterogenität eine wegweisende Rolle. Allerdings braucht es für die Förderung und Sicherung eines diversitätssensiblen und diskriminierungskritischen Handelns institutionell verankerte Maßnahmen in der Aus- und Fortbildung.

Die Online-Fortbildung ist Bestandteil der Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsdienst und wird in Kooperation mit dem Bildungszentrum der Thüringer Polizei in Meiningen durchgeführt. Zentrales Anliegen ist es, für die polizeiliche Arbeit ein fundiertes Wissen über aktuelle Ausdrucksformen antisemitischer Strukturen und Vorfälle bereitzustellen und einen betroffenensensiblen Umgang einzuüben. Das Online-Fortbildungsformat bietet die Möglichkeit, dieses Wissen zu erlangen und zu festigen sowie konkrete Bezüge zur polizeilichen Praxis herzustellen und an Fallbeispielen zu erproben. Die Einschätzung und Erfassung antisemitischer Straftaten sowie ein angemessener Umgang mit Betroffenen sind Schwerpunkte der Online-Fortbildung. Die Veranstaltung richtet sich an Polizeifachkräfte und andere Interessierte.  

Eine Kooperation von Perspektivwechsel – Praxisstelle Thüringen mit dem Bildungszentrum der Polizei Thüringen in Meiningen. 

Pädagogische Fragestellungen entstehen nicht in einem wertneutralen Raum. Sie sind Gegenstand und Ergebnis historischer Entwicklungen, politischer Entscheidungen und sozialer Dynamiken. Eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Faktoren ist grundlegend für die Modifikation eigener Handlungs- bzw. Diskriminierungsmuster. Mit dem übergeordneten Ziel, diskriminierungskritische Haltungen und praxisrelevante Kompetenzen im Umgang mit Diversität und politisch veränderten Realitäten zu entwickeln und einzuüben, werden Hass- und Strukturphänomene am Beispiel von aktuellem Antisemitismus thematisiert, reflektiert und diskutiert. Mittels Selbstreflexion und in Anlehnung an den Anti-Bias-Ansatz kann das Verständnis für die je eigene Verstrickung in die internalisierten Vorurteils- und Diskriminierungsdimensionen gefördert werden. Der Ansatz stammt aus dem Bereich der antirassistischen Bildung und bietet ein breites Repertoire interdisziplinärer Methoden für eine macht- und diskriminierungskritische Erziehungs-, Bildungs- und Beratungspraxis. Das Seminar ermöglicht einen intensiven Austausch über subjektive Erfahrungen, Haltungen und Zuschreibungsprozesse, die in der Gesellschaft verankert sind. Die durch das Seminar initiierten Lernprozesse setzen auf die Analyse vorherrschender Differenzverhältnisse und gesellschaftlicher Machtasymmetrien sowie auf die Reflexion des eigenen beruflichen Selbstverständnisses – der Ziele, Werte und Arbeitsmethoden.

Kontakt

Vera Katona 
Co-Projektleitung 
katona[at]koas-bildungundforschung.de 

René André Bernuth 
Co-Projektleitung 
bernuth[at]koas-bildungundforschung.de

Förderer