Bundesweite Studie zu den Auswirkungen des terroristischen Anschlags am 7. Oktober 2023 auf jüdische und israelische Communities in Deutschland

English version below

Der Angriff auf Israel durch die Terrororganisation Hamas am 7.10.2023 markiert für die jüdische und israelische Communities in Deutschland einen tiefen Einschnitt. Jüdinnen_Juden stehen vor der Aufgabe, die traumatischen Folgen des tödlichen Angriffs und der damit einhergehenden antisemitischen Bedrohung zu bewältigen. Die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geförderte Studie untersucht ab Februar 2024 das Erleben der Phase seit dem 07.10.2023 aus den Perspektiven von Jüdinnen_ Juden verschiedener Generationen und sozialer Hintergründe im urbanen und ländlichen Raum in Deutschland. Mit narrativen Interviews, Gruppendiskussionen und der Dokumentation von Selbstbeobachtungen werden die Wahrnehmungen, Einordnungen und Auswirkungen aus jüdischen Perspektiven erhoben. Dabei werden Veränderungen der Verarbeitungsprozesse im zeitlichen Verlauf und im Zusammenhang mit früheren und aktuellen Ereignissen rekonstruiert. Die Studie wird am Forschungsbereich des Kompetenzzentrums antisemitismuskritische Bildung und Forschung (KOAS) und der FH Potsdam durchgeführt. 

Bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung handelt es sich um eine Form kollektiver Gewalt, die sich gegen Gruppen richtet. Der Begriff der kollektiven Gewalt beschreibt die Gewaltanwendung durch Personen, die sich als Mitglied einer Gruppe sehen und andere Gruppen aus ideologischen Motiven heraus angreifen, um damit politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Ziele durchzusetzen (vgl. Wilkinson/Marmot 2003). Auf diese Weise trifft die kollektiv gerichtete Gewalt ganze Gemeinschaften und entfaltet ein traumatisches Potenzial (vgl. Auerbach 2022). Menschen, die unter Ausgrenzung und Verfolgung gelitten haben, erleben oft noch Jahrzehnte danach vielfältige Folgewirkungen (vgl. Moré 2015). Die Studie untersucht, wie sich der Terror und die antisemitische Gewalt hier in Deutschland auf das psychische und soziale Wohlbefinden von Betroffenen sowie auf sämtliche soziale Beziehungen nachhaltig auswirkt. In der hiesigen Antisemitismusforschung wurden bislang die Auswirkungen antisemitischer Diskriminierung und Gewalt auf den Alltag, das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jüdinnen_Juden bislang kaum untersucht.  

Das Erkenntnisinteresse der Studie betrifft folgende Forschungsfragen: 

  • Wie wirken sich die Ereignisse auf das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden sowie den Alltag von Jüdinnen_Juden verschiedener Herkünfte und Altersgruppen in Deutschland aus? 
  • Inwieweit machen Jüdinnen_Juden in Deutschland Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit den öffentlichen Reaktionen auf den Terror gegen Israel seit dem 7.10.2023 und den darauffolgenden Krieg in Israel und im Gazastreifen? 
  • Welche Rolle spielen die transgenerativen Weitergaben der Shoah, frühere Erfahrungen mit Terror und Vertreibung und andere Kriege in der Wirkung und Verarbeitung der aktuellen Erfahrungen? 

Ansprechpartnerin: forschung[at]koas-bildungundforschung.de

Study on the effects of the terrorist attack on October 7, 2023 on the Jewish and Israeli communities in Germany

The attack on Israel by the terrorist organization Hamas on October 7, 2023 marks a deep turning point for the Jewish and Israeli communities in Germany. Jews are faced with the task of dealing with the traumatic consequences of the deadly attack and the related anti-Semitic threats. Starting in February 2024, the research project examines the experience of the phase since October 7th, 2023 from the perspectives of Jews of different generations and social backgrounds in urban and rural areas in Germany. The perceptions, classifications and effects from Jewish perspectives are analysed on the empirical basis of narrative interviews, group discussions and documented observations from research participants. Changes in processing are reconstructed over time and in connection with previous and current events. The study is funded by the Federal Anti-Discrimination Agency and being carried out at the research department of the Competence Center and the University of Applied Sciences Potsdam.

Anti-Semitic violence and discrimination is a form of collective violence directed against groups. The term collective violence describes the use of violence by people who see themselves as members of a group and attack other groups for ideological reasons in order to achieve political, economic or social goals (Wilkinson/Marmot 2003). Therefore, collectively directed violence affects entire communities and develops traumatic potential (Auerbach 2022). People who have suffered from exclusion and persecution often experience a variety of consequences for decades afterwards (Moré 2015). It can be assumed that antisemitism has a lasting impact on the psychological and social well-being of those affected. In antisemitism research here, the effects of antisemitic discrimination and violence on the everyday life, well-being and health of Jews have hardly been examined.

The study’s interest concerns the following research questions:

  • How do the events affect the physical, psychological and social well-being as well as the everyday life of Jews of different origins and age groups in Germany?
  • To what extent do Jews in Germany experience discrimination in connection with the public reactions to the terror against Israel since October 7, 2023 and the subsequent war in Israel and the Gaza Strip?
  • What role do the transgenerational transmissions of the Shoah, previous experiences with terror and displacement and other wars play in the impact and processing of current experiences?

Contact: forschung[at]koas-bildungundforschung.de